Von der Kunst, guten Wein zu machen

Rocca di Frassinello Gavorrano Toskana

 

steht hoch am Himmel, hoch über der toskanischen Maremma. Schon seit geraumer Zeit rumpeln wir über die Wege — immer dem Schild „Rocca die Frassinello“ nach. Plötzlich verändert sich die Landschaft — eben noch unbewirtschaftet, einsame Gehöfte hier und dort —, erblicken wir nun Weinberge soweit das Auge reicht. Und über allem thront ... ja, was ist das eigentlich? Ein leuchtend roter Block erhebt sich über den Weinbergen, ein großer Kasten mit rotem Dorn, der weit in den Himmel ragt. Das blutrote Gebäude ist die Kellerei Rocca di Frassinello — konzipiert, entworfen und gebaut von Renzo Piano, dem italienischen Stararchitekten. 

Bühne frei und Scheinwerfer an: In gleißendes Licht getaucht, hebt der Önologe das Glas in die Höhe, prüft Farbe und Reflexe im Wein. Immer wieder dreht er sich um die eigene Achse, fast tänzelnd bewegt er sich über die Bühne. Doch nicht nur der Önologe wirft einen prüfenden Blick ins Glas, beäugt wird auch er. Über tausend Barrique-Fässer ­verfolgen gebannt das Schauspiel auf der Bühne. Herzlich willkommen in einem der wohl beeindruckendsten Reifekeller Italiens.

Unser Wagen holpert über die nur teilweise befestigte Straße. Immer mal wieder weichen wir einem Schlagloch aus. Die Sonne

Auf über 75 Hektar wachsen die Trauben, aus welchen nun Spitzenweine entstehen: aus internationalen und einheimischen Rebsorten wie Sangioveto, Cabernet Sauvignon, Merlot und anderen.

Je näher wir der roten Rocca di Frassinello kommen, desto mehr ähnelt sie wirklich einer Burg oder — um den Franzosen gerecht zu werden — einem „Château“ — natürlich in moderner Piano-Interpretation. Die rote Spitze ist der Turm der Festung. Und dieser Turm wirft in der Mittagssonne nicht nur seinen langen Schatten über die toskanische Maremma, sondern bündelt das Licht, um es in die Kellerei zu schicken.

Die „Rocca di Frassinello“ ist schon optisch keine gewöhnliche Kellerei. Dazu passt, dass die Kellerei keine rein italienische Angelegenheit ist. Vielmehr eine internationale. Hier kooperieren Franzosen und Italiener — zwei also, die sich normalerweise so gut leiden können wie Deutsche und Engländer bei einer Fußballwelt- meisterschaft. Und doch arbeiten sie hervorragend zusammen — das mag natürlich auch daran liegen, dass die beiden Partner Meister ihres Fachs sind. Domaines Baron de Rothschild und Castellare in Castellina haben sich 1999 in die Maremma begeben und die „Rocca di Frassinello“ als Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen. 

Inmitten der Fässer, tief unter der Erde und doch angestrahlt von der Sonne, steht der fiktive Weingenießer, und prüft den Wein in seinem Glas. Die Fässer beobachten ihn bei seiner Weinprobe, der Genießer rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Sinnbild für die Philosophie der Rocca di Frassinello — gute Weine müssen immer auch dem Konsumenten gefallen.

Und doch steht das „Weintheater“ der Rocca di Frassinello nur am Ende einer grandiosen Vorstellung. Auf dem Flachdach des Piano-Baus wohnen wir nun abschließend der eigentlichen Ouvertüre bei. Unter einem wehenden, cremeweißen Segeltuch werden die Trauben entrappt und beginnen ihre Reise in den Wunderbau von Renzo Piano. Nur von der Schwerkraft getrieben bewegen sich Most und später Wein auf das furiose Finale zu: Im Barrique-Theater der Rocca di Frassinello erlebt man Weinkunst pur. 
 
 

Über ein ausgeklügeltes Spiegelsystem wandern die Sonnenstrahlen tief hinab in den Bauch der Kellerei. Und hier: Bühne frei für Europas größte „Barricaia“! Bis zu 2500 Barrique-Fässer fasst das „Weintheater“ auf 2500 Quadratmetern. Die Halle erhebt sich ganz ohne Säulen — eine architektonische Meisterleistung. Und es sieht natürlich nicht nur umwerfend aus, sondern erfüllt vor allem einen Zweck: Hier, in französischem Allier-Holz von verschiedenen Fassmachern, reifen Weine von Weltklasse. Ganz egal ob Spitzen-Merlot „Baffonero“ (zu deutsch „schwarzer Schnurrbart“), bei dem die Trauben gerade einmal auf einem zwei Hektar großen Weinberg wachsen und drei grüne Ernten über sich ergehen lassen, oder aber der „Grand Vin“ „Rocca di Frassinello“, eine Cuvée aus Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Merlot — im Keller entwickeln die Weine ihre Gewürznuancen und Aromen von Kaffee und Schokolade. Die Idee hinter der außer- gewöhnlichen Architektur: